Kastration

Über das Thema Kastration gehen die Meinungen weit auseinander und es gibt die verschiedensten Gründe warum ein Tierhalter sich damit auseinander setzt.
Als Tierhomöopathin und Hundetrainerin werde ich natürlich zu diesem Thema recht häufig um Rat gefragt.
Die Entscheidung Kastration ja oder nein steht in der Regel leider meist schon fest. Unsicherheit besteht eher wann der richtige Zeitpunkt für die Kastration ist.
Bei Hündinnen entscheiden sich die Halter häufig für eine Kastration, weil Sie der Meinung sind, dies beugt späteren Gesäugetumoren vor.
Mammatumore sind jedoch längst nicht so häufig wie es oftmals behauptet wird. Zudem wirkt sich die Kastration auf die Bildung von Mammaturmoren nur dann aus, wenn vor der ersten Hitze kastriert wird. Frühkastrationen sind jedoch nicht ganz risikolos. Hier möchte ich die Zahlen und Ausführungen aus der Bielefelder Kastrationsstudie von Dr. Gabriele Niepel zitieren:...“Bei unkastrierten Hündinnen erkranken  zwischen 1,98 und 2,8 (maximal 18,6) von 1000 Hündinnen, ( je nach Alter und Rasse ), das entspricht einen Prozentanteil von 0,2 bis maximal 1,8%. Frühkastrierte Hündinnen haben demgegenüber ein Risiko von 0,0093% nach der ersten Läufigkeit kastrierte Hündinnen tragen ein Risiko von 0,1488%. Entartungen treten zudem in der Regel im späten Lebensabschnitt auf, mit einem Durchschnittsalter von 10-15 Jahren (Stolla 2001). Angesichts dieser Wahrscheinlichkeit der Erkrankung muss die Frage erlaubt sein, ob der medizinischen Prophylaxegedanke gerechtfertigt ist. Diese Frage drängt sich um so mehr auf, wenn man sich die Wahrscheinlichkeiten der unerwünschter - auch gesundheitlicher - Folgen der Kastration anschaut.
Und: Wer weiß z.B. schon, dass Mammatumoren auch bei kastrierten Hündinnen hormonunabhängig auftreten können und das diese Tumore wesentlich häufiger maligne sind als hormonabhängige der nicht kastrierten Hündin? So ist es z.B. umstritten ob nichtkastrierte Hündinnen, die an Mammatumoren erkranken, zwecks Rezidivprophylaxe kastriert werden sollen.(Schärer, 2002)....”

Bei Rüden entscheiden sich die Halter häufig für eine Kastration, weil sie sich davon erhoffen, dass der Rüde “ruhiger” wird, besser mit Artgenossen klarkommt und Handlungen wie Aufreiten auf Artgenossen oder Möbel, Kissen oder Menschen unterlässt.
Eine mögliche Verhaltensänderung des Rüden ist nicht abhängig vom Alter der Kastration. Die Hoffnung, dass sich unerwünschte Verhaltensweisen erst gar nicht entwickeln, wenn der Rüde vor der Pubertät kastriert wird, treffen nicht zu. Das liegt daran, dass, und hier möchte ich noch einmal Frau Dr. Niepel zitieren:”...Zwischen der hormonellen Entwicklung von Hündinnen und Rüden gibt es einen zentralen Unterschied: Damit das Ungeborene sich zu einem weiblichen Tier entwickelt, bedarf es keiner vorgeburtlichen Bildung von ovariellen Hormonen. Die Ausprägung des Nervensystems hin zu einem weiblichen Wesen erfolgt sozusagen automatisch ohne Einwirkung von Geschlechtshormonen. Erfolgt kein Testosteronschub, entwickelt sich eine Hündin, erfolgt ein Testosteronschub, entwickelt sich ein Rüde. Nicht der Testosteronschub in der Pubertät gibt also den Anstoß für ihr Verhalten: Entscheidend ist der pränatale Hormonschub, der für die "Maskulinisierung" des Gehirns verantwortlich ist.
Rüden erhalten noch im Mutterleib und in den ersten Wochen nach der Geburt Ihren "Testosteronschub" der eben individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Die vorgeburtliche Testosteronstimulation bedingt die Empfänglichkeit bestimmter Organsysteme für Testosteroneinwirkungen nach Eintritt der Geschlechtsreife. Später einschießendes Testosteron scheint Verhaltensweisen höchstens mit zu aktivieren/intensivieren. Das erklärt nicht nur, warum auch nach der Kastration hormonbedingte Verhaltensweisen wie das typische Urinmarkieren und das Aufreiten bei der Hälfte der Rüden erhalten bleibt. Es erklärt ebenfalls warum auch vorpubertär kastrierte Rüden typische geschlechtsspezifische Verhaltensweisen zeigen können, wie z. B.: Markieren mit erhobenem Hinterlauf, Imponiergehabe gegenüber anderen Rüden, Besteigen, ja sogar Deckakte. (sofern ihr Penis nicht allzu unterentwickelt - sprich klein - geblieben ist.) ( Hart/Hart, 1991). Selbst Rüden, die im Alter von nur 40 Tagen kastriert worden sind, zeigten im Vergleich ihrer Entwicklung ( verfolgt bis zum 8 Lebensmonat) kein anderes Verhalten als ihre unkastrierten Wurfgeschwister. Frühkastration hat keinen Einfluss auf dominantes Verhalten (LeBoeuf, 1970, zit nach Salmeri u.a., 1991b). Lerneffekte über die Zeit hinweg scheinen keinen großen Einfluss zu haben, so konnte Hart (1968, zit. Nach Hart/Eckstein,1997) nachweisen, dass es keinen Unterschied macht, ob Rüden vor ihrer Kastration erlaubt wurde mit Hündinnen zu kopulieren, also Lernerfahrungen zu sammeln oder nicht - es bedarf dazu keiner Übung, von daher bringt eine frühe Kastration auch keine besseren Ergebnisse in beug auf die geschlechtshormongesteuerten Verhaltensweisen.
Die Ergebnisse der Bielefelder Studie bestätigen jene obiger Studien und zeigen zugleich: Negative Verhaltensweisen wie : unsicherer im Verhalten gegenüber Artgenossen, aggressiver gegen gleichgeschlechtliche Hunde und aggressiver gegen Hunde im allgemeinen, ja sogar Aggression gegen Fremde werden häufiger von Haltern solcher Hunde als Folgen beschrieben, welche im Alter unter 6 Monate kastriert worden sind.
(An dieser Stelle möchte ich eine persönliche Anmerkung einflechten. Diese Beobachtungen kann ich aus meiner Praxis und aus dem Training mit den verschiedensten Hunden bestätigen) Hinsichtlich eines “besseren” Verhaltens bringt die frühe Kastration weder beim Rüden noch bei der Hündin Vorteile, sondern eher Nachteile - und sie bringt Nachteile in Bezug auf die körperliche Entwicklung mit sich...”
Meiner Meinung nach sollte eine Kastration in Betracht kommen, so sollte das betreffende Tier seine geistige und körperliche Entwicklung vollendet haben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Tiere bei der Kastration auf dem geistigen und teilweise auch körperlichen Niveau stehen bleiben auf dem sie zum Zeitpunkt der Kastration sind. Manchen mag es reizvoll erscheinen, einen “ewigen” Welpen zu haben. Die Erfahrungen meiner Kunden haben allerdings gezeigt, dass es im Alltag manchmal nicht einfach ist, ein Tier zu haben, dass nie erwachsen wird.
Gelegentlich wird auch behauptet, dass eine unkontrollierbare Fortpflanzung nur durch Kastration zu verhindern sei. Dies mag in Ländern zu treffen, wo es zahllose herrenlose Hunde und Streuner gibt. Dort ist es ein probates Mittel um noch mehr Leid zu verhindern. In der Regel lässt ja niemand seinen Hund einfach ohne Aufsicht laufen und umherstreunen und eine läufige Hündin erst recht nicht. Es ist verantwortungslos, einen Hund streunen zu lassen. Verantwortungsvolle Rüdenbesitzer nehmen auf Hündinnenbesitzer Rücksicht, die darum bitten, den Rüden ausnahmsweise auf Abstand zu halten. So richtig "heiß" ist die Hündin ohnehin nur wenige Tage von insgesamt drei Wochen. Da sie sich in dieser Zeit sehr ausgeprägt putzt und beleckt, ist die Gefahr, dass sie etwas beschmutzt, nicht sehr groß. Ältere Hündinnen werden oft nur einmal im Jahr heiß. Die Symptome lassen mit dem Alter nach.

Somit sind ungewollte Schwangerschaften bei Hunden in Deutschland eher die Ausnahme.
Problematisch wird es natürlich, wenn in einem Haushalt Rüde und Hündin zusammen leben. Hier liegt es nahe eher den Rüden kastrieren zu lassen. Der Eingriff ist beim Rüden kleiner als bei der Hündin.

Körperliche Folgen


Geschlechtshormone werden im Wachstum und bei der Ausreifung von Körper und Psyche benötigt.

Die soziale Reife erreichen die Tiere mit etwa 1,5 Jahren. Der Besitzer merkt dies daran, dass die Hunde beginnen, ihre Stellung in der Rangordnung in Frage zu stellen oder dass sie anfangen, ihre Aufgaben als Wachhund zu erfüllen.

Die körperliche Ausreifung ist noch später abgeschlossen: Bei Hunden kleiner Rassen geht man von einem Alter von etwa 2 Jahren aus, bei großen von 3 Jahren und mehr.

Gesundheitliche Veränderungen durch eine Kastration bei Hündinnen:

Fellveränderungen: 49 %

Gewichtszunahme: 44 %

vermehrter Hunger: 40 %

Harntröpfeln: 28 %
Veränderungen in der Skelettentwicklung: 4%

 

Gesundheitliche Veränderungen durch eine Kastration  bei Rüden:

Gewichtszunahme: 47 %

vermehrter Hunger: 46 %

Verschwinden von Vorhautentzündungen: 45 %

Fellveränderungen: 32 %

Harnträufeln: 9 %
Veränderungen in der Skelettentwicklung: 3%

 

Die Ursache des häufigen Harntröpfelns wird im Wegfall des Eierstockhormons Östrogen gesehen. Es ist u. a. für die Schließmuskelfunktion der Harnblase mitverantwortlich. Dieses Harnträufeln beginnt meist innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Kastration. Die Verabreichung von Östrogen zum Ausgleich ist nicht mehr zu empfehlen, weil sie einerseits nur kurze Zeit wirksam ist, auf der anderen Seite jedoch folgende Schäden möglich sind:
Knochenmarksdepression (nicht sofort sichtbar), Mangel an Blutplättchen und damit Blutgerinnungsstörungen.
Geeigneter erscheint heute die Gabe von Ephedrin, das jedoch auf Herz und Kreislauf wirken kann und deshalb nicht bei jeder Hündin einsetzbar ist. Bleibt noch die operative Therapiemethode, die jedoch nur von einigen Tierkliniken mit entsprechender Ausrüstung angeboten wird. 
Bei manchen Hündinnen treten die Läufigkeitssymptome auch nach der Kastra
tion wieder mehr oder weniger stark auf. Dies gilt besonders für Hündinnen, deren Gebärmutter nicht oder nur teilweise entfernt wurde. Die Ursache ist in versprengtem Ovargewebe zu sehen, das der Operateur nicht finden konnte (oft unterhalb der Eierstocktasche am Aufhängeband der Niere). Dieses Gewebe bleibt hormonell aktiv und neigt zur Entartung (Zystenbildung). Dauerläufigkeit ist oft die Folge.
Kastrierte Hündinnen neigen im Alter zu weiteren Hormonstörungen z.B. der Schilddrüse und/oder der Nebennierenrinde.
3% der Rüden und 4% der Hündinnen  zeigen nach der Kastration eine verlängerte Wachstumsperiode, allerdings 35 % der Tiere, die zum Zeitpunkt der Kastration unter 6 Monate alt waren. Die Geschlechtshormone spielen eine zentrale Rolle in der Skelettentwicklung. In der Skelettentwicklung bei kastrierten und unkastrierten Tieren somit sind Unterschiede festzustellen.
Bei im Alter kastrierten Hündinnen können sich allerdings auch Veränderungen in der Knochenstruktur zeigen, - ähnlich einer Osteoporose bei Frauen in der Menopause, hier sind jedoch bisher noch keine Neigungen zu verstärkten Knochenbrüchen beobachtet worden. Allerdings fehlen zu diesem Thema aber auch weitere Untersuchungen.
Frühkastrierte Hunde beider Geschlechter haben einen verzögerten Epiphysenschluss um 3-4 Monate. Diese verzögerte Schließung der Wachstumsfugen wird im Zusammenhang mit der Neigung zu Verletzungen und Fehlbildungen diskutiert. Weiter sind größere Anfälligkeit für Skelettkrankheiten und längere Röhrenknochen bei früh kastrierten Tieren beobachtet worden. Bei Rottweilern wird auch Knochenkrebs diskutiert.
Rüden sind von den gesundheitlichen Folgen bei der Skelettentwicklung häufiger betroffen wie Hündinnen. Allerdings werden Rüden nicht so häufig früh kastriert wie Hündinnen.
Bei frühkastrierten Tieren kann es zu einer Unterentwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale kommen.
Daher erscheint es nicht sinnvoll, bei Hunden zur Frühkastration zu raten.

Was den vermehrten Hunger und die Gewichtszunahme nach einer Kastration betrifft haben die Studien gezeigt, dass nahezu die Hälfte der kastrierten Hunde mehr Hunger entwickeln. Ein reduzierte Fütterung wirkt einer Gewichtszunahme entgegen. Jedoch kommt es häufig trotz reduzierter Fütterung zu einer Gewichtszunahme. Hier ist der direkter Einfluss der veränderten hormonellen Situation auf das Stoffwechselgeschehen ist denkbar. Dafür spricht die Erfahrung mit vielen Hundehaltern, die ihre kastrierten Hunde sogar reduziert füttern und deren Hunde dennoch an Gewicht zunehmen.
Eine Kastration muss nicht notwendigerweise dick und faul machen, sie kann aber dazu führen.

Folgen im Verhalten


Verhaltensänderungen durch eine Kastration bei Hündinnen:

größere Ausgeglichenheit: 51 %

aktiveres Verhalten: 22 %

lethargisches Verhalten: 15 %

geringere Aggressivität gegen andere Hündinnen: 12 %

erhöhte Aggressivität gegen andere Hündinnen: 9 %

erhöhte Aggressivität gegen andere Hunde allgemein: 11 %


Die größere Ausgeglichenheit, die bei 51% der kastrierten Hündinnen festgestellt wurde hat ihren Grund in der Tatsache, dass die hormonell bedingten Zyklusschwankungen wegfallen. Diese zyklischen Veränderungen und die damit verbundenen Stimmungsschwankungen sind auch den Frauen nicht unbekannt. Allein diese Tatsache sollte allerdings nicht den Ausschlag geben sich für eine Kastration zu entscheiden.
Bei frühkastrierten Hündinnen muss man außerdem mit einer Steigerung des Angstverhaltens rechnen. Diese kann sich in gesteigerter Trennungsangst oder verstärktem Fluchtverhalten äußern.
Hündinnen  die während oder kurz nach der Läufigkeit kastriert werden zeigen häufiger Verhaltensveränderungen wie Aggression oder Depression.

Verhaltensänderungen durch eine Kastration bei Rüden:

ausgeglicheneres Verhalten: 63 %

verbesserter Gehorsam: 34 %

verminderte Aggressivität gegen andere Rüden: 34 %

Besteigungsversuche durch andere Rüden: 19 %

lethargisches Verhalten: 13 %

Unsicherheit im Umgang mit anderen Hunden: 7 %

verminderte Aggressivität gegenüber der Familie: 7 %

verminderte Aggressivität gegenüber Fremden: 2 %


Die Verbesserung des Gehorsams lässt sich wohl auch zum Teil darauf zurückführen, dass Situationen in denen der Rüde nicht gehorcht, weil er eine Hündin in der Nase hat durch den reduzierten Geschlechtstrieb weniger häufig auftreten..
Bei Rüden scheinen die Veränderungen im Aggressionsverhalten eine deutliche Altersabhängigkeit zu besitzen: Tiere, die sehr früh kastriert wurden, im Alter von unter 6 Monaten, aber auch Tiere, die bei der Kastration zwischen 6 und 12 Monaten alt waren, zeigen mit größerer Wahrscheinlichkeit erhöhtes Aggressionsverhalten gegenüber anderen Hunden beiderlei Geschlechts oder fallen durch verminderte Ausgeglichenheit auf. Diese Ergebnisse habe ich leider schon häufig in der Praxis bestätigt gesehen. Früh kastrierte Rüden haben häufig mit gleichgeschlechtlichen und mit nicht gleichgeschlechtlichen Artgenossen erhebliche Probleme. Ich habe im Laufe der Jahre bei meiner Arbeit auch immer wieder festgestellt, das früh kastrierte Rüden oft bis ins hohe Alter sehr agil und “zappelig” sind, fast schon hyperaktiv.
In der Bielefelder Studie heißt es:”...Doch berichtete eine große Mehrzahl von größerer Ausgeglichenheit ihres Rüden: 63%. Eine Verminderung eines übermäßig stark ausgeprägten Sexualstriebs konnten Heidelberger/Unselm (1990) bei 95% der Rüden nachweisen. Hopkins u.a. (1976) fanden eine Verminderung des Streunens bei 90%, bei 50% zeigte sich eine verringerte Markieraktivität, bei ca. 60% war eine Verminderung des Besteigens zu verzeichnen, dabei zeigten sich die Verhaltensänderungen bei der Hälfte der Fälle sehr rasch nach der Kastration, bei der anderen Hälfte kam es zu einer allmählichen Veränderung(Hopkins u.a.,1976). Die Autoren verweisen darauf, dass sich eine Abnahme der Markieraktivität nur im Haus, nicht aber im Freien feststellen ließ. Neilson u.a. (1997) fanden bei 50-70% der von ihnen untersuchten Hunde eine um 50-90 prozentige Verminderung der Verhaltensweisen streunen, markieren und besteigen, Heidelberger/Unselm (1990) berichteten von einer Reduktion des Streunens bei 86% der Rüden.....”

Eine Kastration aufgrund von Verhaltensproblemen wird natürlich nur in Bezug auf solche Verhaltensweisen funktionieren, die über Geschlechtshormone beeinflusst werden. Alles was bei einem Rüden sexuell motiviert ist kann, hier liegt die Betonung auf kann, kann mittels Kastration beeinflusst werden. Nur sexuell bedingte Aggressivität kann durch eine Kastration beeinflusst werden, nicht aber Aggressivität, die durch Beutefang-, Revier- oder Dominanzverhalten ausgelöst wird.

Eine Kastration ist kein Allheilmittel für Verhaltensprobleme. Die Auswirkungen sind viel enger begrenzt als gemeinhin angenommen wird. Eine Kastration ersetzt nicht die richtige Sozialisation, Erziehung und verhaltensgerechte Haltung des Hundes.
Im Falle der Hündinnen ist lediglich eindeutig, dass die unmittelbar mit Läufigkeit und Trächtigkeit einhergehenden Verhaltensweisen geschlechtshormonbedingt sind. Aber: Es wird kontrovers diskutiert, ob der Einfluss des weiblichen Hormons Östrogen auf neurophysiologische Mechanismen, die die geschlechtsgebundenen Verhaltensweisen steuern, vergleichbar ist mit dem des männlichen Hormons Testosteron. Eine Kastration der Hündin zwecks Verhaltenstherapie hat nur Sinn bei übersteigert aggressivem Verhalten, das ausschließlich in der Zeit der Läufigkeit der Scheinschwangerschaft auftritt.
Einige Studien weisen auf einen Placeboeffekt hin. Wenn Hundehalter glauben, dass eine bestimmte Maßnahme bestimmte Auswirkungen hat, z. B. dass der Hund danach weniger aggressiv sein soll, dann verhalten sie sich oft anders ihrem Hund gegenüber. Und dieser veränderte Umgang des Halters mit seinem Hund kann dann für die beobachteten Veränderungen verantwortlich gemacht werden - nicht die Trainingsmethode, nicht der Wegfall der Geschlechtshormone hat die Veränderung des Verhaltens verursacht, aber der Halter glaubt daran. Und schließlich sind generell subjektive Wahrnehmungen am Werke.


In Ihrer Abhandlung - Kastration als Lösung von Verhaltensproblemen beim Rüden? schreibt Frau Dr. Christiane Quandt: ”......Grundsätzlich beseitigt bzw. reduziert die Kastration alle Probleme, die aus direkt testosteronabhängigen Verhaltensweisen entstehen. Dazu gehören beim geschlechtsreifen Rüden das Urinmarkieren im Haus, das Streunen auf der Suche nach läufigen Hündinnen, Unruhe, ständiges Jaulen, Futterverweigerung und vermehrte Reizbarkeit, die sich bei Rüden mit starkem Sexualtrieb entwickeln, wenn eine Hündin in der weiteren Nachbarschaft läufig ist; übertriebenes Imponiergehabe und aggressives Konkurrenzverhalten gegenüber anderen Rüden.

Die weit verbreitete Volksmeinung, dass Rüden durch die Kastration ruhiger werden, erweist sich dagegen in der Regel als Ammenmärchen. Zwar neigen kastrierte Rüden durch die veränderte Stoffwechsellage eher zum Fettansatz und ab einem gewissen Übergewicht auch zur Entwicklung eines entsprechenden, kräfteschonenden Phlegmas, aber dieses Problem lässt sich durch vernünftige Fütterung leicht vermeiden.
(Anmerkung von mir: Die Praxis hat, wie im Kapitel körperliche Auswirkungen beschrieben ja gezeigt, dass sich die Gewichtszunahme nicht immer über die Fütterung und Bewegung verhindern lässt).
Die Reduktion des Testosteronspiegels an sich hat keine Auswirkung auf das Temperament, den Bewegungsdrang oder das Lautäußerungsverhalten.

Es ist allgemein bekannt, dass männliche Tiere bei den meisten Tierarten wesentlich aggressiver sind als weibliche. Das gilt auch für den Hund. Trotzdem wird die Aggressionsbereitschaft nach einer Kastration nur bezüglich des sexuellen Konkurrenzverhaltens gegenüber anderen potenten Rüden wesentlich reduziert. Bei Rüden, die aggressives Verhalten gegenüber allen, oder den meisten, anderen Hunden beiderlei Geschlechts oder gegenüber Menschen zeigen, ist durch eine Kastration keine befriedigende Änderung des Problemverhaltens zu erwarten. Bei rangordnungsbezogenen aggressiven Auseinandersetzungen zwischen zwei weitgehend gleichwertigen Rüden in demselben Haushalt, sieht die Geschichte ganz anders aus. Hier ist die Kastration des tendenziell weniger durchsetzungsfähigen Rüden manchmal die einzige Möglichkeit, die Situation zu entschärfen. Aber cave! Kastriert man den falschen Rüden, werden die Auseinandersetzungen noch heftiger. Der Einfachheit halber beide zu entmannen, verbessert die Situation auch nicht. Damit beraubt man sich leicht der letzten Möglichkeit, die Hierarchie zu stabilisieren. Bei ständig wiederkehrenden Kämpfen zwischen Hunden in demselben Haushalt ist der Auslöser (fast) immer der dazugehörige Mensch. Daher ist eine Kastration ohne verhaltenstherapeutische Beratung für die Tierhalter selten erfolgreich....”


In der Bielfelder Kastrationstudie werden Heidelberger und Unshelm ( 1990 ) mit folgender Aussage zitiert:”...aggressives Verhalten beiderlei Geschlechts gegenüber Artgenossen und auch gegen Menschen tritt häufig erst nach einer Kastration auf...”

Gründe für eine Kastration


Bei folgenden Indikationen kann es sinnvoll und nötig sein über eine Kastration bei der Hündin nachzudenken:

bei Akuterkrankungen der Geschlechtsorgane, wobei es sicher nicht bei jeder akuten Erkrankung der Geschlechtsorgane nötig ist. Viele akute Erkrankungen der Geschlechtsorgane lassen sich häufig auch homöopathisch recht gut beeinflussen.
bei Diabetes mellitus
bei hormonell bedingten Ohrenerkrankungen (bei denen eine Allergie gegen Geschlechtshormone der Auslöser ist, kommt selten vor). Auch hier lohnt sich erst ein Versuch mit homöopathischen Mitteln.
bei wiederholten, ausgeprägten Scheinschwangerschaften der Hündin, die mit starkem Leidensdruck für diese einhergehen. Scheinschwangerschaften lassen sich häufig sehr gut homöopathisch behandeln.
bei extremem Aggressionsverhalten während der Zeit der Läufigkeit und anschließender Scheinschwangerschaft.
bei Hündinnen, die das ganze Jahr so attraktiv riechen, dass sie permanent von Rüden belästigt werden und darunter leiden.

Die Kastration ist immer noch unschädlicher für die Hündin als die Praxis der Läufigkeitsunterdrückung durch Hormonspritzen, da diese extrem krebserregend sind und häufig Gebärmutterentzündung verursachen.

Bei folgenden Indikationen kann es sinnvoll und nötig sein über eine Kastration beim Rüden nachzudenken:

bei körperlichen Erkrankungen wie bei Hodentumoren, Analtumoren, Prostataerkrankungen, Kryptorchismus, persistierende (nicht ausheilende) Vorhautentzündung.
Wobei sich auch hier immer wieder ein Versuch mit der klassischen Homöopathie lohnt und erfolgversprechend ist.
Was die Vorhautentzündung betrifft, so hat die Kastration bei 45% der kastrierten Rüden diese zum verschwinden gebracht. In der Regel ist diese Vorhautentzündung keine ernste Erkrankung, sondern eher ein hygienisches Problem für die Besitzer.
bei Rüden, die ständig aufgeregt und kaum ansprech
bar sind, weil sie nicht nur auf wirklich läufige bzw. auf Hündinnen reagieren, die ihre Stehtage haben, sondern von jedem "Rockschoss" magisch angezogen werden, das Futter verweigern, nur noch jammern, nächtelang jaulen, an der Leine nicht mehr zu bändigen sind und nach dem Ableinen sofort auf und davon sind. Die Chance, dass sie ausgeglichen werden, ist groß. Aber auch hier gilt es, nach der Verhältnismäßigkeit zu fragen: Wenn ein Rüde auf dem Spaziergang direkten Kontakt mit einer hochläufigen Hündin hat und von der nur noch durch Anleinen wegzubekommen ist, so kann man kaum von Hypersexualität sprechen, die eine Kastration erfordert. Wenn ein Rüde im Erziehungskurs unkonzentrierter arbeitet, weil eine Hündin nach einem dreiwöchigen Aussetzen wegen Läufigkeit wieder mitmacht, so ist das auch noch kein Indiz für einen übersteigerten Sexualtrieb des Rüden. Läuft der Rüde im selben Kurs jedoch nahezu andauernd mit ausgefahrenem Penis herum, hechelt unablässig, stiert den “Mädels” nach und nutzt jede ihm sich bietende Gelegenheit, die - nicht läufigen - Hündinnen zu belästigen, so sollte man über eine Kastration nachdenken. Und zwar nicht, weil man selber einfach genervt ist, sondern weil in diesem Fall davon auszugehen ist, dass der Rüde wirklich Leidensdruck hat. Man sollte jedoch nicht erwarten, dass sich das Verhalten sofort gibt. Hopkins u.a. (1976) haben in ihrer Studie herausgefunden, dass im Falle der Rüden, bei denen die gewünschte Veränderung eintrat, sich diese Veränderung nur bei der Hälfte bald nach der Kastration zeigte, bei der anderen Hälfte kam es zu einer schrittweisen Abnahme über die Zeit hinweg. Bedenkt man, dass der Testosteronspiegel innerhalb von sechs bis acht Stunden nach der Kastration auf kaum noch messbare Werte sinkt (Hart / Hart, 1991), so wird allein daran deutlich, dass Testosteron offenbar nicht die alleinige Einflußgröße auf das Verhalten der Rüden ist!
“Anzumerken ist noch, ob sich Züchter nicht vielleicht einmal Gedanken darüber machen sollten, ob es nicht auch ein Zuchtziel sein sollte, Rüden mit normalem, statt hypersexuellem Verhalten zu züchten. Angesichts des Leidensdrucks, den solch hypersexuelle Rüden haben, müsste schon aus der Verantwortung für die Hunde auch auf diese Verhaltenskomponente in der Zucht Rücksicht genommen werden” ( Dr. Gabriele Niepel 2003 ).
bei Streunern, jedoch ist ein Erfolg nur dann zu erwarten, wenn der Hund auf "Freiersfüßen" wandelt - und nicht weil er sich langweilt oder einfach die Komposthaufen der Nachbarn inspizieren oder Kaninchen auf dem nahe gelegenem Kohlfeld jagen will.
bei extremem Aufreiten bei Hunden und/oder Menschen zu verzeichnen ist, insbesondere nach Eintritt der Geschlechtsreife, stehen die Chancen gut, dieses Verhalten zumindest zu vermindern. Allerdings sollte man schon sehr genau hinschauen, ob sich der Rüde "nur" sexuell abreagiert oder ob es sich um eine gezielte Geste seinem Menschen gegenüber handelt, wenn der Rüde vor allem bei seinem Besitzer aufreitet. Da sind Korrekturen in der Mensch-Hund-Beziehung eher angebracht als das ausschließliche Verfolgen der "medizinischen Lösung"
bei Urinmarkieren im Haus kann durch eine Kastration günstig beeinflusst werden weniger das Markieren im Freien. Bei Hunden, die im eigenen Haushalt markieren sollte man jedoch die Frage nach der Rangordnungsbeziehung zwischen Mensch und Hund als erstes angehen!

Eine homöopathische Behandlung ist auch bei den hier aufgezählten sexuell bedingten Verhaltensweisen eine Indikation und einen Versuch wert, bevor man sich für eine Kastration entscheidet.

Vergleichstabell

Bei Hündinnen kastriert größeres Risiko

Bei Hündinnen unkastriert größeres Risiko

(2 x) zu Übergewicht

(6 x) von Analfisteln perianal fistula

größeres Risiko zu

(8 x) größeres Risiko zu Herztumoren

Akute, fatale Pancreatitis

Scheidenentzündung und Scheidentumoren

(8 x) zu Harninkontinenz

größeres Risiko zu Hämangiom (Blutschwamm)

Brustkrebs (im Vergleich zu Frühkastrationen)

Schilddrüsenkrebs

Gebärmutterentzündung

Schilddrüsenüberfunktion

Nieren/Blasengeschwüre

chronische Hornhautentzündung

Schwund von Muskelmasse und Bindegewebe

während der Operation zu sterben



Bei Rüden kastriert größeres Risiko

Bei Rüden unkastriert größeres Risiko

(2 x) zu Übergewicht

6 x von Analfisteln

Prostatakrebs

Leukämie

Nieren/Blasengeschwüre

bei Lymphoma ein kürzeres krankheitsfreies Intervall

Diabetes

Schilddrüsenüberfunktion

Hodenkrebs

während der Operation zu sterben